Nachtrag: Rotuma

Das Wasser in unserer Bucht war so klar, dass wir bei einer Wassertiefe von 20 Metern noch deutlich die Muster im Sand erkonnten. Aus Unsicherheit wegen des Riffs und darüber, wann der Wind sich wieder drehen würde, haben wir relativ weit außen geankert, sicher ist sicher. Als einziges Boot lag unsere Ivalu in dieser ausladenden türkisen Bilderbuchlagune. Unsere erste Amtshandlung war selbstverständlich erst einmal ein ausgiebiges Bad (man erahne, was unterwegs etwas kurz gekommen war), danach haben wir uns landfein gemacht und sind mit dem Dinghi zum Strand gesteuert. Dort saß schon Rachel – die Rotumianerin hatte uns heranfahren sehen und wollte uns begrüßen. Lustigerweise hat sich hier schnell und ganz unoffiziell das gleiche „Verfahren“ eingeführt wie auf Palmerston (wer zuerst bei den Reisenden ist darf ihr Host sein). Rachel hat uns nicht nur gleich den ganzen Weg bis zu Clearance begleitet, sondern sollte auch die kommenden Tage unsere selbsternannte Gastgeberin und Tourguide sein. Auf dem langen Weg zur Clearance haben wir schon die ersten Eindrücke von diesem faszinierenden abgelegenen Eiland sammeln dürfen: Eine Sandstraße, viele Fahrräder, winkende lächelnde Einheimische, satte grüne Wiesen, große knorrige Mangobäume, etliche Palmen. Am Straßenrand waren (am helllichten Tag!) die Männer unter einem Vordach zur Kava-Zeremonie versammelt. Viele leerstehende Steinhäuser und eine verfallene Tankstelle sind uns aufgefallen – Rachel erklärte uns, das sei alles „from the former times“ von damals, als es noch Fortschritt gab, unter Englands Kolonialherrschaft. Und gab das das Gefühl einer kleinen verdrehten Zeitreise. Von der Clearance erfuhren wir, dass wir Boot Nummer 10 in diesem Jahr waren auf Rotuma, und das erste Boot, das jemals in der Südbucht geankert hat. Das erklärt auch, warum wir so eine Sensation in dem kleinen Dörfchen Motusa waren, vor dem die Ivalu lag. Als wir vom Clearence- Ausflug (im strömenden Regen) wieder auf dem Heimweg waren, stürzte ein Mann mit nur einem Handtuch bekleidet aus seinem Haus „Hello, hello, wait, sorry, I just had a shower, wait – I´m the minister here...!“ Dieser freundliche Herr, scheint`s ehemaliger Minister von Motusa, wollte uns sogleich auf eine Trinkkokosnuss einladen und uns willkommen heißen. Als er hörte, dass wir aus Deutschland kommen, meinte er, es wäre eben erst ein deutscher Reisender hier gewesen, wir hätten ihn knapp verpasst. Unser Landesgenosse hatte Rotuma vor zwei Jahren besucht, stolz wurde uns auch sein Gastgeschenk präsentiert: Ein Regenschirm bedruckt mit der Frauenkirche, der Bavaria, dem Chinesischen Turm – so ereilte uns ganz unerwartet ein Gruß aus der Heimat, mitten in der Südsee. Wir wurden an diesem und an allen folgenden Tagen auf Rotuma reichlich beschenkt mit Papayas, Kokosnüssen, Mangos, Limetten und Kürbissen. Rachel, der netten Mann im Handtuch, aber auch viele andere, die uns vorbei spazieren sahen, sorgten dafür, dass wird jeden Abend wieder mit beladenem Dinghi zum Boot zurückkehrten. Um dort nicht in Platznot zu geraten, haben wir uns daran versucht, unsere ersten Papaya- und Mango- Chutneys zu kochen, mit bestem Erfolg, muss man sagen.
Den zweiten Tag auf Rotuma wollten wir erst einmal gemütlich angehen lassen, ausschlafen, aufräumen und Wäsche waschen. Als wir nachmittags an Land gefahren sind, war Rachel schon längst bereit und brachte verschiedenste Unternehmungsvorschläge vor. Es war deutlich, dass sie den ganzen Tag auf uns gewartet hatte und sich für uns verantwortlich fühlte. Also gingen wir zusammen erst einmal die katholische Kirche in Motusa besichtigen – ein wahres Meisterwerk zweier französischer Missionare (in anderen Versionen der Erzählung waren es englische oder spanische Missionare, aber hier am anderen Ende der Welt kann man das nicht übel nehmen... wer von uns weiß schon wo Rotuma liegt?). St. Michael könnte auch in einer mittelalterlichen englischen Stadt stehen, ohne sich von den anderen gotischen Bauten zu unterscheiden, bis hin zu den bunten Glasfenstern haben die Missionare ganze Arbeit geleistet. Den restlichen Nachmittag haben wir zusammen Mangos gesammelt und wurden noch auf eine Schale Kava am Straßenrand eingeladen. Die Zeremonie ist hier nicht so streng traditionell wie bei unseren fijianischen Freunden im Dorf Korova, Cori durfte ohne Zulu teilnehmen, auch die Sitzordnung war etwas lockerer. Der Kava selbst ist um einiges stärker als in Fiji und wir taten gut daran, uns nach der zweiten Runde zu verabschieden und zum Boot zurückzukehren.
Wohl wissend, dass Rachel auf uns warten würde, waren wir am nächsten Morgen schon um Zehn wieder an Land. Nach einer erfrischenden Kokosnuss zogen wir zusammen los, um die Umgebung besser kennenzulernen. Zusammen mit Rachel konnten wir quer durch alle Gärten und Wohngebiete gehen, wurden im Vorbeigehen von allen begrüßt und immer wieder mit Früchten beschenkt. Es besteht kein Zweifel: Die Leute auf Rotuma sind einfach nur glücklich und haben unendlich viel Zeit.
Arbeit gibt es wenig, die meisten verdienen ihr Geld mit Kopra-Export (das getrocknete Fleisch reifer Kokosnüsse). Innerhalb der Insel gibt es keinen Handel, keine Märkte, denn Essen gibt es hier für alle genug, der Boden ist fruchtbar für Gemüse, die Bäume hängen voller Früchte, zwischen den Häusern rennen unzählige Hühner umher, das Meer ist voll von Fischen. Uns hat am meisten fasziniert, wie sehr die Leute ihr Glück zu schätzen wissen und wie bewusst sie ihre Zeit genießen.
Während dem Ausflug mit Rachel haben wir beide ernsthaft überlegt, die Ivalu zurück nach Fiji in einen sicheren Hafen zu segeln, mit dem Versorgungsschiff nach Rotuma zurückzukehren und einfach die Zyklonmonate dort zu verbringen.
Nach dem Spaziergang hat uns Rachel kurzerhand zum Mittagsschlaf in ihrer Gartenhütte geschickt, ein für Fijianer übliches Zeichen der Gastfreundschaft, mit dem man sich gerne anfreunden kann. Nach der Siesta gingen wir mit Rachels Kindern zum Schweinefüttern. Rachels beiden Schweine leben in einer großen WG mit allen anderen Dorfschweinen in einer Art weitläufigem Dschungelparadies. Jeder Schweinebesitzer hat sein Lockzeichen, um nur die eigenen Schweine zur Fütterungsstelle zu locken. Cori redet gerade was von klassischer Konditionierung und das das hier das perfekte Beispiel dafür ist. Wer in der Schule in Bio aufgepasst hat weiß Bescheid :-)
Abends waren wir bei Peter zum Essen eingeladen, dem vielleicht weltgewandtesten Rotumianer. Er hatte seine Insel als Teenager verlassen, hat sich sein Leben lang als Musiker durchgeschlagen in Fiji, Neuseeland und Australien und ist schließlich wieder mit seiner Frau in die Heimat zurückgekehrt. Er ist auch der Grund, warum man in einer der traditionellen Hütten in Motusa eine komplette elektronische Bandausstattung vorfindet, mit Verstärker, E-Gitarre und allem, was dazugehört. Wir hatten einen lustigen und spannenden Abend voller Geschichten.
Samstag mussten wir schon wieder ausklarieren und uns von allen verabschieden, da ab Sonntag wieder Süd-Ost-Wind vorhergesagt war. Der Clearence- Beamte wollte unbedingt noch ein Foto von Ivalu in der Motusa- Bucht machen, also spazierte Martin mit ihm den gut halbstündigen Weg hin- und wieder zurück. Währenddessen konnte Cori Peters Bandprobe beiwohnen, wo Klassiker wie „Hotel California“ oder „No Women No Cry“ solange geübt wurden, bis der Strom wie üblich über den Nachmittag hinweg abgestellt wurde.
Den Nachmittag haben wir noch gemütlich am Strand verbracht, dann haben wir Rachel und ihrer Familie noch ein paar Abschiedsgeschenke überreicht, uns herzlichst bedankt und gesagt, dass wir unbedingt wiederkommen wollen – in 5 Jahren, in 10 Jahren? Rotuma war der Wahnsinn. Winked sind wir mit unserem Dinghi wieder weggefahren, und haben schon gleichzeitig angefangen, uns auf die Weiterfahrt zu freuen.
Es grüßen die Möchtegern-Rotumianer Martin und Cori

Kommentare

  1. Wir sind happy, dass es euch auch so gut gefallen hat wie uns. Jetzt sind wir sicher, dass euch Tuvalu & Kiribati noch besser gefallen werden... Habt viel Spaß und genießt die Zeit mit den wohl liebenswertesten Menschen! Gute Reise & liebe Grüße von den Seezigeunern aus Fiji Michaela & Volker

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